BGH Urteil: Entscheidung im Hanfbar Prozess
Ein großer Lichtblick für die CBD-Branche ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. März 2021 im Hanfbar-Prozess.
Aufgehobenes Urteil des Landesgerichtes Braunschweig
Die beiden Betreiber der Hanfbar Braunschweig wurden 2020 vom Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einigen Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.
Grund: Sie verkauften losen Tee aus EU-zertifiziertem Nutzhanf in ihren Läden. In einer Prüfung wurde festgestellt, dass sich Käufer damit berauschen konnten.
Zwar nicht, wenn sie den Hanftee wie vorgesehen aufkochen. Wenn sie ihn als Backzutat verwenden, hingegen schon.
Das Urteil ging in Revision und wurde im März vom BGH neu entschieden.
Entscheidung des BGH
Dem BtMG (Betäubungsmittelgesetz) zufolge darf EU-zertifizierter Nutzhanf verkauft werden, wenn er „ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen“.
Das Landgericht Braunschweig war demnach der Ansicht, dass der Verkauf “an Endabnehmer zu Konsumzwecken” grundsätzlich verboten sei.
Das stimmt laut dem BGH nicht.
Die Richter des BGH in Leipzig stellten fest, dass die CBD Blüten aus Nutzhanf zwar ein Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind. 👨⚖️
Unter Ausschluss von angenommenen Missbrauchspotentialen dürfen zertifizierte CBD Blüten jedoch legal an Endverbraucher verkauft werden.
Das Landgericht habe vorliegend nicht geprüft, ob der Vorsatz der beiden Angeklagten auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der CBD Blüten umfasst habe.
Bedeutet: Die Angeklagten müssten vorsätzlich gehandelt haben.
Dass sie möglicherweise fahrlässig nicht erkannten, dass der Hanftee in einem Kuchen berauschend wirkt, reicht nicht für eine Anklage.
Wie geht es jetzt weiter?
Der auf Cannabis spezialisierte Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann stellte im Hinblick auf das BGH CBD Urteil fest:
Der Jurist spricht von einer “langersehnten Klarstellung für die Hanfbranche.” 💪
Auch der EIHA-Präsident Daniel Kruse beschreibt die aktuellen Urteile als einen “juristischen Paradigmenwechsel”.
Die EIHA-Geschäftsführerin Lorenza Romanese spricht von einem “seit langem überfälligen Wandel bei der Beurteilung von Industriehanf”.
Damit gilt das Hanfbar Urteil des BGH schon jetzt als ein Meilenstein für die CBD-Branche.
Trotzdem ist die Frage nicht endgültig geklärt, ob CBD Blüten, CBD Tees und Co. folglich legal an Privatkonsumenten verkauft werden dürfen.
Der Fall wurde an die Braunschweiger Richter zurückverwiesen. Noch ist unklar, wie das Landgericht das Verfahren abschließen wird.
Immerhin zeigt die aktuelle Rechtsprechung, dass der Verkauf von zertifizierten Nutzhanfblüten nicht per se illegal ist.
In der Zwischenzeit gilt es zu überlegen, wie der von einigen Gerichten unterstellte Vorsatz zum Missbrauch bei Endkunden ausgeschlossen werden könnte.
Bundestagsantrag für eine Änderung des BtMG
Einige Parteien sind bereits daran, das Betäubungsmittelgesetz ändern lassen zu wollen. ⚖️
So haben unter anderem die Linkspartei und die Grünen Anfang 2021 einen Bundestagsantrag eingereicht, nach dem der Nutzhanfanbau stärker ausgebaut werden soll.
In dem Antrag bemängeln die Verfasser, dass der rechtliche Rahmen für Nutzhanf - trotz dessen niedriger THC-Werte - im Betäubungsmittelgesetz geregelt wird.
Und das, obwohl bestimmte Pflanzenteile der Hanfpflanze (unter anderem CBD) keinerlei berauschende Wirkung besitzen.
Die Folge:Die Idee, das agrarische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Potenzial der Kulturpflanze zu nutzen, sowie der Handel mit den unverarbeiteten Pflanzenteilen des Hanfs, werde erschwert.
In anderen Ländern der EU gelten diese hohen Beschränkungen nicht.
Diese Tatsache wirft laut den Parteien die Frage der Angemessenheit der rechtlichen Regelungen auf und stellt für deutsche Betriebe der Branche einen Wettbewerbsnachteil dar.
Forderungen der Bundestagsfraktionen sind unter anderem:
- Ein neuer Gesetzesentwurf
Nutzhanf und daraus hergestellte Produkte sollen aus dem Anwendungsbereich des BtMG herausgenommen werden.
- Ein höherer THC-Grenzwert
Der THC-Grenzwert für Nutzhanf soll auf mindestens 0,6% angepasst werden, damit zwischen Nutzhanf und Hanf zur Gewinnung von Marihuana als Rauschmittel unterschieden werden kann.
- Erleichterte Regelungen zur Zulassung
Die Zulassung von Nutzhanf soll über die Sortenzulassung geregelt werden, wobei die Zulassung der Sorten nicht willkürlich, sondern am THC-Gehalt erfolgen soll.
- Rechtssicherheit für Anbaubetriebe schaffen
Beispielsweise sollen keine Strafen verhängt werden, wenn THC-Grenzwerte anbaubedingt überschritten werden.
- Rechtliche Hürden abbauen und Verbraucherschutz schaffen
Unnötige Regelungen für die Verwendung von Nutzhanf sollen abgebaut und Sicherheit der Produkte gewährleistet werden.
- Förderung von Wissenschaft und Forschung
Unter anderem im Bereich des gesundheitlichen Nutzens und möglicher Verbraucherschutzrisiken von Produkten auf Basis von Cannabidiol und anderen Cannabinoiden.
Polizei Essen übergeht BGH-Rechtsprechung
“Zahlreiche Straftaten wegen CBD-Hanf - Polizei klärt auf und warnt!”
So lautet die Überschrift einer Meldung der Polizei Essen vom 28.4.2021. 👮
Doch wovor warnt die Polizei Essen und mit welcher Begründung?
CBD Produkte seien fast immer illegal
Laut der Polizei Essen soll der Verkauf, Erwerb und Besitz von jeglichen Cannabisprodukten nach dem Betäubungsmittelgesetz grundsätzlich strafbar sein.
Die Polizei Essen stellt korrekterweise dar, dass es hierfür im Betäubungsmittelgesetz Ausnahmen gibt.
Nach der Ausnahmevorschrift in Anlage 1 des BtMG sind Cannabisprodukte legal, wenn:
- die Cannabisprodukte aus Anbau in EU-Ländern mit zertifiziertem Saatgut stammen
- oder ihr Gehalt an THC (Tetrahydrocannabinol) 0,2 Prozent nicht übersteigt
- und der Verkehr mit ihnen ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.
Das Problem - und die Rechtfertigung für verstärkte Razzien - sieht die Polizei Essen im dritten Punkt.
In den meisten Fällen können wohl weder der Verkäufer noch der Kunde einen gewerblichen oder einen wissenschaftlichen Zweck nachweisen.
Bei Kiosk- oder Tankstellenbetreibern sei ein solcher Zweck sogar nahezu ausgeschlossen. Demnach würden die Verkäufer illegal handeln und sich strafbar machen.
Missbrauch zu Rauschzwecken wäre offensichtlich
Darüber hinaus werden die CBD-Erzeugnisse oft in kleinen Dosen verpackt und gemeinsam mit Blättchen angeboten.
Damit sei laut der Polizei Essen “die Konsumfähigkeit und somit der Missbrauch zu Rauschzwecken offensichtlich”.
Auf den maximal erlaubten THC-Gehalt von 0,2% geht die Polizei hier nicht weiter ein. Dieser Wert sei ohnehin unwichtig.
Denn: Die Betreiber machen sich bereits durch den Verkauf von THC-haltigem und konsumfähigem Material wegen Handel mit Betäubungsmitteln strafbar.
Die Käufer gleichzeitig wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln.
Polizei ignoriert BGH-Rechtsprechung
Damit ist offensichtlich, dass die Polizei Essen die aktuelle Rechtsprechung übergeht.
Das Urteil vom 24. März 2021 zeigt:
Die Aussage, dass der Verkauf, Erwerb und Besitz von “CBD-Hanf” grundsätzlich illegal und strafbar sei, ist falsch.
Ebenso die Warnung, dass die Konsumfähigkeit und damit der Missbrauch zu Rauschzwecken naheliegend wäre.
Fraglich ist, ob die Polizei Essen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bewusst ignoriert, oder ob sie sich nicht mit den höchstrichterlichen Aussagen beschäftigt.
Beide Fälle wären unrecht.
Der Präsident des BvCW und Koordinator des Fachbereichs CBD, Dr. Stefan Meyer, stellt klar:
“Die THC-Gehalte bei CBD-Hanfblüten sind regulär so gering, dass ein Rausch selbst beim Konsum einer ganzen Verkaufseinheit ausgeschlossen ist”.
Außerdem ist ihm “angesichts wachsender Überstundenberge bei der Polizei unverständlich, warum ausgerechnet gegen den Wachstumsmarkt Nutzhanf so viele Steuermittel verschleudert werden”.
Darüber hinaus scheint der Essener Polizei nicht klar zu sein, dass die Europäische Kommission:
- CBD den Drogenstatus aberkannt,
- es als Lebensmittel eingestuft
- und die EU-Freihandelsgarantien bestätigt hat.
Außerdem entschied der Europäische Gerichtshof Ende 2020, dass CBD nicht als Betäubungsmittel im Sinne des Einheits-Übereinkommens über Suchtstoffe anzusehen sei.
Die Polizei Essen sollte sich demzufolge umfassend informieren und ihre Aussagen öffentlich richtigstellen.
Unser Fazit
Erst Ende 2020 entschied der Gerichtshof der Europäischen Union, dass CBD kein Betäubungsmittel ist.
Das BGH Hanfbar Urteil ist nun der nächste große Schritt in Richtung der vollständigen CBD Legalisierung.
Gleichzeitig zeigen die aktuellen Geschehnisse erneut, dass klare und deutlich kommunizierte gesetzliche Regeln für CBD-Produkte notwendig sind.
Hoffnung schürt der Bundestagsantrag der Linken und Grünen, nach dem die rechtlichen Hürden rund um CBD gelockert werden sollen.
Wir erwarten die nächsten großen Entscheidungen noch in 2021. Es bleibt spannend!